Künstliche Intelligenz hat einen Punkt erreicht, an dem sie täuschend echte Texte, Bilder, Stimmen und Videos erzeugen kann. Was früher noch durch sechs Finger, falsche Schatten oder merkwürdige Formulierungen verraten wurde, ist heute kaum mehr erkennbar. Mit Tools wie Google VEO 3 oder OpenAI Sora entstehen binnen Sekunden fotorealistische Videos – samt Mimik, Emotionen, Bewegung und neuerdings auch Ton. Und all das, ohne dass je ein Mensch vor der Kamera stand. Wir stehen an der Schwelle zu einer Realität, in der Echtheit nicht mehr sichtbar ist.
Aber wie erkennt man in dieser neuen Welt, ob ein Inhalt von einem Menschen oder von einer Maschine stammt? Die ehrliche Antwort: Oft gar nicht mehr. Dennoch gibt es aktuelle Methoden, die dir helfen können, KI-generierte Inhalte zu hinterfragen – und genau darum geht es in diesem Artikel.
Die Illusion der Gewissheit
Früher war es einfach: Wenn jemand auf einem Foto zu viele oder zu wenig Finger hatte oder ein Video ohne Lidschlag ablief, war klar – das ist KI. Aber das ist vorbei. Solche offensichtlichen Fehler sind in der aktuellen Generation fast verschwunden. KI kann heute sogar aus einem einzigen Standbild ein ganzes Video mit unterschiedlichen Perspektiven und synchronisierter Tonspur erzeugen. Und ja: Auch Licht, Schatten, Perspektive und sogar Spiegelungen lassen sich inzwischen erstaunlich glaubwürdig simulieren.
Das bedeutet: Äußere Merkmale reichen nicht mehr aus, um Inhalte eindeutig als „unecht“ zu erkennen. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Kombination aus technischer Unterstützung, kritischem Denken und Medienkompetenz.
Der neue Goldstandard: Herkunftsnachweise
Eine der aktuell zuverlässigsten Methoden stammt aus dem Bereich der „Provenance-Technologien“ – also Herkunftsnachweisen. Tools wie Google SynthID oder die von Adobe initiierte Content Authenticity Initiative (CAI) betten unsichtbare Wasserzeichen oder Metadaten direkt in Bilder, Texte oder Videos ein. Damit lässt sich später technisch überprüfen, ob ein Inhalt KI-generiert wurde – auch wenn er bearbeitet oder weitergeleitet wurde.
Diese Marker sind noch nicht flächendeckend im Einsatz, aber sie werden kommen. Die EU plant sogar, ab 2026 eine Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte einzuführen.1 Das Ziel: Transparenz schaffen – und Vertrauen.
KI-Erkennungstools: Nützlich, aber begrenzt
Zahlreiche Online-Tools versprechen, KI-Inhalte zu enttarnen. Programme wie GPTZero oder Winston AI analysieren Inhalte auf typische KI-Muster – etwa auf ungewöhnliche Wortverteilungen, fehlende Emotionen oder inkonsistente Bilddetails.
Das Problem: Diese Tools arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten.2 Sie sagen dir nie: „Dieser Text ist KI.“ Sondern eher: „Dieser Text sieht zu 82 % nach KI aus.“ Das ist manchmal hilfreich, aber nicht rechtlich belastbar.
Außerdem sind die Tools leicht auszutricksen. Wer einen KI-Text paraphrasiert oder von einem anderen Modell umformulieren lässt, kann viele Scanner austricksen. Auch Bildgeneratoren wie Midjourney erzeugen heute so saubere Ergebnisse, dass Forensik-Tools immer öfter an ihre Grenzen stoßen.3

Was kann ich im Alltag tun?
Es bleibt also die Frage: Was kannst du selbst tun, wenn du mit einem Inhalt konfrontiert wirst, bei dem du Zweifel hast?
Hier eine aktuelle, praxisnahe Checkliste:
- Transparenzkennzeichen suchen
Gibt es ein C2PA-Logo, ein Wasserzeichen oder eine Info zur Herkunft? Einige Plattformen fangen an, solche Hinweise einzubauen – z. B. „erstellt mit KI“. - Mehrere Quellen vergleichen
Gibt es das Bild oder Video auch aus einer anderen Perspektive? Wird über das Thema auch an anderer Stelle berichtet – idealerweise von glaubwürdigen Medien? - Kritisch bleiben bei Einzelfällen
Wenn ein Post emotionalisiert, schockiert oder sehr einseitig klingt – nimm dir Zeit und überprüfe ihn. Gerade Fakes zielen auf schnelle Reaktionen. - Vertraue auf Tools – aber nicht blind
Nutze KI-Detektoren, aber kombiniere sie mit deinem eigenen Urteilsvermögen. Tools sind Hilfen, keine Richter. - Achte auf das große Ganze
Wer hat den Inhalt verbreitet? Warum? Gibt es ein Muster? Misstraue Inhalten, die von Accounts ohne Identität oder Kontext stammen.
Die Rolle der Medienkompetenz
Am Ende hängt vieles nicht von Technologie ab – sondern von uns selbst. Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene brauchen heute neue Fähigkeiten: Wie überprüfe ich Informationen? Wie erkenne ich Desinformationen? Und was heißt überhaupt „vertrauenswürdig“ in einer Welt, in der alles perfekt inszeniert sein kann?
Dafür braucht es mehr Bildung, mehr Aufklärung – und eine klare Botschaft: Nur weil etwas echt aussieht, heißt das noch lange nicht, dass es auch stimmt. Deshalb arbeite ich seit 2022 eng mit dem gemeinnützigen Verein Factary zusammen – und vermittle in praxisnahen Workshops an Schulen, wie junge Menschen KI-Inhalte erkennen, einordnen und reflektiert damit umgehen können.
Fazit: Echtheit ist nicht sichtbar – aber überprüfbar
Wir leben in einer Welt, in der Echtheit nicht mehr an der Oberfläche erkennbar ist. Neue KI-Werkzeuge machen es zunehmend schwer, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden. Aber das bedeutet nicht, dass wir machtlos sind.
Mit den richtigen Tools, etwas gesundem Menschenverstand und einem wachen Blick auf die Herkunft von Inhalten können wir auch in dieser neuen Realität die Orientierung behalten. Die entscheidende Frage ist heute nicht mehr: Ist das echt?
Sondern: Kann ich nachvollziehen, woher es kommt?