Welche Medienkompetenzen sind zukünftig wichtig?

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Unsere Medienwelt ist im ständigen Wandel. Eine inzwischen unüberschaubare Anzahl an digitalen Angeboten bestimmt wie wir leben, arbeiten und miteinander kommunizieren. Veränderung ist die einzige Konstante, so scheint es. Doch welche Kompetenzen müssen wir heute lernen, um für die Welt von morgen vorbereitet zu sein?

Medienbildung betrifft uns alle. Gerade in Zeiten disruptiver Umbrüche durch künstliche Intelligenz ist ein flächendeckendes Bildungskonzept der Grundpfeiler jeder demokratischen Gesellschaft. Denn nur durch einen selbstbestimmten, kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Informationen können wir gemeinsam faktenbasierte Entscheidungen über unsere Zukunft treffen.

Kommunikation im Wandel der Zeit

Spätestens seit dem Beginn der Industrialisierung gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist unser Leben von technologischen Durchbrüchen geprägt. Während wir die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte von Angesicht zu Angesicht kommuniziert haben, hat sich die Art und Weise, wie wir Informationen austauschen, im Zuge der Evolution maßgeblich verändert.

Heute ermöglicht uns eine gigantische, fast unsichtbare Infrastruktur, jeden Gedanken in Echtzeit mit der Welt zu teilen. Kein Wunder, dass die Menge an Informationen innerhalb kürzester Zeit auf eine unüberschaubare Menge wuchs, und so war die Erfindung einer suchenden Maschine der nächste logische Schritt. Während 1996, dem Veröffentlichungsjahr von Google nicht einmal 2 % der Weltbevölkerung das Internet nutzte, sind es nach heutigem Stand über 69 %, Tendenz steigend.1

Als hochsoziale und kommunikative Spezies verbringen wir dabei die meiste Zeit in digitalen Gemeinschaften, so sind derzeit mehr als 93 % aller Internetnutzer:innen regelmäßig in sozialen Netzwerken aktiv.2 Doch so sehr diese einen authentischen und zwischenmenschlichen Austausch suggerieren, so klar ist uns auch, dass das was wir online sehen keineswegs immer glaubwürdig ist.

Hier ein Vergleich zwischen analogem und digitalem Informationsaustausch:

Reales LebenInternet
Herkunft der Inhalte ist bekannt (Gesprächspartner:in)Herkunft der Inhalte ist häufig unbekannt (Anonyme Profile)
Begrenzte ReichweiteWeltweite Reichweite (Menschen mit Internetzugang)
Glaubwürdigkeit kann subjektiv eingeschätzt werden (Kennt er/sie sich damit aus?)Glaubwürdigkeit muss aktiv überprüft werden (Belegen andere Quellen das?)
Interaktion möglich (z. B. durch Rückfragen)Asynchrone Kommunikation / Häufig keine Interaktion möglich

Ein Leben ohne Internet ist heute nicht mehr denkbar: Von der globalen Logistik über das Finanzsystem bis hin zur Demokratisierung des Wissens ist das Internet der Motor des Fortschritts. So sehr eine Vielzahl digitaler Angebote unsere Aufmerksamkeit beansprucht, so unsicher sind wir im Umgang mit dieser neuen Realität.3 Bis heute dominieren unzählige Fragen den öffentlichen Diskurs, etwa in Bezug auf Eigentum, Datenschutz, Anonymität, Jugendschutz oder der Rechtsprechung.

Umso wichtiger ist es nun, dass wir nicht auf technische Lösungen warten, sondern uns aktiv der Herausforderung stellen und gemeinsam neue gesellschaftliche Strategien entwickeln.

Eine neue Art Informationen zu suchen

Gegenwärtig befinden wir uns in einem disruptiven Wandel von der klassischen Quellensuche mit Suchmaschinen hin zu KI-basierten Systemen, die Inhalte personalisiert aufbereiten. Anwendungen wie ChatGPT bieten nicht nur schnelle und kontextbezogene Antworten, sondern ermöglichen auch eine natürliche und audiovisuelle Interaktion mit Informationen.

Obwohl die Vorteile dieser autonomen Systeme potenziell überwiegen, stehen sie dennoch gegenwärtig vor großen Herausforderungen. Hier ein Überblick:

  • Halluzinationen: Erzeugung plausibler aber falscher Informationen
  • Fehlende Quellenangaben: Synthese neuer Inhalte ohne Bezug auf reale Quellen
  • Ethik: Was dürfen KI-basierte Systeme sagen und tun? Wo sind die Grenzen?
  • Transparenz: Auf welchen Daten basiert das System? Wie werden Entscheidungen getroffen?
  • Gesellschaftlich: Automatisierung weckt Zukunftsängste

Das Informationszeitalter steht noch ganz am Anfang und so sind zukünftige Entwicklungen nur schwer vorherzusagen. Die jüngsten Entwicklungen lassen zumindest ein wenig Licht hindurch scheinen und deuten dabei paradoxerweise einen zunehmend menschlicheren Umgang mit Maschinen an.4 Während die 80er Jahre von dem Begriff Personal Computer (PC) geprägt waren, gibt es bereits erste Anzeichen dafür, dass wir in naher Zukunft ausschließlich mit einer Art Personal Intelligence (PI) interagieren werden.

Welche Kompetenzen benötigen wir?

Wie auch immer die Welt von morgen aussehen mag, grundlegende Medienkompetenz bleibt unverzichtbar. Auch die Automatisierung erfolgt nicht automatisch, sondern bedarf einer allmählichen gesellschaftlichen Akzeptanz. Während sich globale technologische Entwicklungen nicht aufhalten lassen, liegt es an uns, gesellschaftliche Umgangsformen zu entwickeln – aber welche?

Medienbildung sollte vor allem unsere Lebenswirklichkeit abbilden und daher stets auf aktuellen Trends wie populären Apps oder innovativen Werkzeugen wie ChatGPT aufbauen. Voraussetzung dafür ist, dass nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrenden offen dafür sind, immer wieder Neues zu lernen. Dazu gehört auch der Mut, sich gemeinsam vorab mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, anstatt auf fertige didaktische Konzepte zu warten.

Leider werden in diversen medienpädagogischen Angeboten allzu oft nur die Gefahren der „modernen“ Medien propagiert. Als Konsequenz und durchaus auch mit gutem Willen prägen Medienverbote den Alltag vieler Kinder. Diese dienen jedoch nur dem Selbstschutz, sich nicht mit der Realität Heranwachsender auseinandersetzen zu müssen. Nicht zuletzt wälzen sie damit die Verantwortung auf die Kinder ab und versäumen dadurch zugleich die Chance, sie auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters vorzubereiten.

Grundsätzlich steht der Bildungssektor gegenwärtig vor großen Umbrüchen. So ist ChatGPT beispielsweise ein wunderbares Werkzeug, um Übungsaufgaben zu erstellen. Werden diese jedoch gleichzeitig von vielen Schüler:innen zu Hause auf die gleiche Weise automatisiert gelöst, so hat die Situation eine gewisse Ironie. Ist das der Anfang vom Ende? Ich glaube nicht. Als langjähriger Medienpädagoge sehe ich darin eine große Chance, sich wieder aktiv und vor Ort mit der Lernsituation vieler Schüler:innen auseinanderzusetzen!

Meiner Meinung nach sollten vor allem die elementaren Grundlagen vermittelt werden. Medienkompetenz ist nichts anderes als digitale Kommunikation, und daher sind einige analoge Fähigkeiten universell auf den digitalen Raum übertragbar:

Informationen überprüfenWer ist der Autor bzw. die Autorin? Wie erkennt man vertrauenswürdige Quellen? Wie verwendet man Google?
Funktionsweise vermittelnWie funktioniert das Internet? Wie entscheiden soziale Netzwerke, was ich sehe? Wie erschafft man künstlich eine Intelligenz?
MedienproduktionWie bearbeitet man Bilder / Ton / Videos? Welche Werkzeuge gibt es?
Digitale IdentitätWas teile ich im Internet? Wie schütze ich mich und meine Daten?
Rechtliche GrundlagenWelche Regeln gelten im Internet? Welchen Verträgen habe ich zugestimmt?
Gesundheitliche AuswirkungenWarum machen uns soziale Netzwerke süchtig? Wie gehe ich mit Hass, Spam, Mobbing und Pornografie um?

Als Medienpädagoge erlebe ich diesen Alltag täglich. Dabei ist zu beachten, dass kein einzelnes Seminar oder Workshop das Problem löst, sondern der verantwortungsvolle Umgang mit Medien immer wieder aktiv geübt werden muss. Doch wenn man über den Tellerrand hinausschaut, erkennt man, dass es jenseits technologischer Innovationen eine Konstante gibt: den Menschen und sein Bedürfnis nach Kommunikation.

  1. https://www.internetworldstats.com/emarketing.htm ↩︎
  2. https://www.statista.com/statistics/617136/digital-population-worldwide/ ↩︎
  3. https://www.statista.com/statistics/871513/worldwide-data-created/ ↩︎
  4. https://openai.com/index/hello-gpt-4o/ ↩︎